Pinselsprache
0ben: Tanz der Blumen (Formen mit einem durchgehenden und unterschiedlichem Druck erzeugten Pinselstrich gezeichnet.)
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
Oh, stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.
Friedrich Hebbel
Hallo, liebe Freunde des Aquarells
Der Sommer, der uns mit seinem Blütenreichtum eine Fülle von Farben schenkte, überreicht nun dem Herbst den Pinsel. Er schenkt uns die warmen Erdfarben, die z.B. für Landschaften unentbehrlich sind, gedeckte Farben wie: feuriges Siena gebrannt, lichter Ocker, warmes Umbra Natur, Umbra gebrannt, Olivgrün und vieles mehr. Sie führen in unserem Farbkasten meist ein Schattendasein. Dabei steckt in ihnen viel mehr.
Um uns nun mit diesen Farben vertraut zu machen, empfehle ich einige Übungen, die zudem zu einer besseren Pinselhaltung führen.
oben: Menschen im Vorübergehen
Nicht Jedem ist es gegeben, seine Gefühle in einer spontanen Zeichnung auszudrücken. Zu oft halten uns Hemmungen davon ab, lustvoll mit dem Pinsel über das Papier zu gleiten. Ich kann euch versichern, dass es Freude bereitet, unüberlegt in die Farben zu greifen. Am besten geht das mit Musik, wobei die Art der musikalischen Berieselung keine Rolle spielt.
oben: Schreitende
Pinselsprache (Duktus)
Die Handschrift eines Menschen gibt seine Sinnesweise und seinen Charakter wieder. In der Schrift, wie auch in der Malerei ist der sog. Pinselduktus die individuelle Kraft. Sie lassen die Werke eines Van Gogh, eines Cézanne oder auch die von Toulouse-Lautrec unverwechselbar erscheinen.
Vor dem Impressionismus waren die Maler bemüht, die unmittelbare Spur des Pinsels zu vermeiden. Mittels Lasurmalerei wurden Farbflächen durch mehrfaches Auftragen unterschiedlich heller Farbschichten langsam und sorgfältig aufgebaut.
Von Tizian ist bekannt, dass er dieselbe Stelle 30 x und mehr lasierte. Das erzeugte einen unnachahmlichen Glanz und Schimmer der Farben. Die Spur des Pinsels trat dabei in den Hintergrund. Ganz anders ist das in der ostasiatischen Malerei. Jeder Pinselstrich ist für den Betrachter nachvollziehbar. Diese Künstler sind Maler und Schriftkünstler zugleich.
Die Pinselführung soll neben der äusseren Erscheinungsform auch die Stimmung und die Gefühle wiedergeben.
oben: Tanz des Wassers
Hier habe ich mich für kalte Farben entschieden. Die Farbstreifen sind sorgfältig ausgeführt. Ihre Bewegung erhalten sie durch unterschiedliche Farbstärke, indem ich ihre Intensität mit Wasser abschwäche.
oben: Herbstblätter (Diese zarten, herbstlichen Farblasuren sind in Schichten angelegt. Beachtet die neuen Farben, die dadurch entstehen.)
oben: fallendes Laub (Kleiner Farbtest für ein Herbstbild)
oben: stürmische Zeiten (Vorlage für einen Holzschnitt)
oben: Wachsen zum Licht (zwei komplementäre Farben im Gegenüber)
„Ich beneide die Japaner um die ungemein saubere Klarheit, die alle ihre Arbeiten haben. Das ist so einfach wie Atmen, und sie machen eine Figur mit ein paar sicheren Strichen.“
schrieb Van Gogh einst und versuchte, wie viele Künstler seiner Zeit, mittels Kopieren diese Technik zu erlernen.
oben: Froschstudie mit chin. Anreibtusche auf Japanpapier
Wir sollten uns die Zeit dafür nehmen, mit kurzen oder langen, schwingenden Pinselstrichen einen Gegenstand zu beschreiben. Ein Bild mit wenigen Strichen zu erzeugen, verlangt Übung.
Der Herbst mit seinen oft trüben Tagen bietet Gelegenheit dazu.
Wer nach einem Gang durch den kalten Nieselregen zuhause in einen hellen Raum aus herbstlichen Naturtönen tritt, entspannt schneller. Der Grund ist: Erdtöne stehen für wohlige Gemütlichkeit und erhöhen mit ihrem Gelbanteil die gefühlte Temperatur im Raum. Wir frösteln weniger, die Nackenmuskeln relaxen, Stress und Hektik fallen von uns ab. Sich im wahrsten Sinne des Wortes zu erden – umgeben von hellen Beige- und sanften Brauntönen, gelingt garantiert!
K. Proch
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